Sunday 18 November 2007

Richard Teschner


Richard Teschner, Die Hexe, 1917.
Öl/Pergament, Maße und Verbleib unbekannt.

Vor ein paar Tagen war ich im Münchner Stadtmuseum und stieß dort überraschend auf Arbeiten von Richard Teschner.


Richard Teschner, Nachtstück, 1922.
Historische Aufnahme einer Bühne mit Marionettenfiguren für Teschners Marionettentheater.

Richard Teschner (1879-1948) studierte an der Prager Kunstakademie und der Wiener Kunstgewerbeschule, war Mitglied der Wiener Werkstätte, Bildhauer und Puppenmacher, der seine eigen Marionetten entwarf und bastelte. Er komponierte sogar die Musik seiner eigenen pantomimischen Marionetten Stücke, deren Figuren heute beispielsweise im Oesterreichischem Theatermuseum, Palais Lobkowitz in Wien, zu sehen sind, oder eben in der momentanen Sonderausstellung des Münchner Stadtmuseums über das Marionettentheater München.


Richard Teschner, Die Unbeteiligten, 1916.
Stich. Maße und Verbleib unbekannt.

Neben seiner kunstgewerblichen Tätigkeit, illustrierte und malte Teschner allerdings auch. Schuf Bilder von ähnlich fantastischen Gestalten, wie er sie für seine Marionetten entwarf. Und so entstanden seltsam skurrile Bilder, die ein bißchen an den Symbolismus zurückerinnern, oder an Richard Dadd's fairy paintings.

Schade, dass er heute fast vergessen ist.

Wednesday 10 October 2007

Caravaggio und Derek Jarman

Wie von einem Film über einen Künstler zu erwarten, ist Derek Jarmans Film Caravaggio (1986) voller Anspielungen auf das Werk des italienischen Malers Caravaggios (1571-1610). Im Gegensatz zu dem Vermeer-Film Das Mädchen mit dem Perlenohrring schafft Jarman aber kein "Historiengemälde" mit historisch exakten Kulissen (, wobei auch hier einzelne Kameraeinstellungen betont stillebenhaft und geschult an der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts inszeniert sind), sondern liefert eine Interpretation des Künstlers, seines Lebens und seiner Kunst im Allgemeinen. Die in den Film verwoben kunsthistorischen Referenzen beziehen sich dabei nicht nur auf Caravaggio, und die Inkonsistenzen in der historischen Ausstattung eröffnen Blickwinkel auf Caravaggios Kunst, die zum Nachdenken anregen und die Reflexion über den Künstler befruchten. Das macht den Film nicht zu einem primären Unterhaltungsfilm, sondern zu einem Film über die Kunst allgemein, und darin ungemein spannend.
Jarmans Film zeigt Gemälde Caravaggios nicht nur im Entstehungsprozess, sondern verarbeitet auch eine ganze Reihe von Bildern in die eigentlich Handlung, überträgt die früheren Bildinhalte auf die Biographie des Künstlers und macht die ursprünglichen Gemälde zu "lebenden Bildern" im Wortsinn. Dadurch greift Jarman auf einen bildkünstlerischen Trick des 19. Jahrhunderts zurück, den Werner Busch in ganz anderem Zusammenhang einmal als Säkularisierung der christlichen Bildinhalte beschrieb. Durch die Übernahme der christlichen Bildtradition auf ein profanes Thema werden selbige aber nicht nur säkularisiert, das dargestellte profane Thema wird stellenweise auch entschieden aufgewertet: die Assoziierung mit dem ursprünglichen christlichen Bildinhalt legt sich über die nun profane Darstellung und erweitert die Bedeutung.
So legt Jarman einer Szene bezeichnenderweise ein Gemälde Caravaggios zugrunde, das den zweifelnden Thomas zeigt, wie er die Wundmahle des auferstandenen Christus berührt, und ersetzt Christus durch Caravaggio selbst. Diese Gleichsetzung des Künstlers mit Christus ist nicht zufällung und in der Kunstgeschichte gerade in der Gattung "Selbstproträt" nicht neu, erinnert sei nur an Albrecht Dürers Selbstporträt (1500, Holz, 67 × 49 cm, München, Alte Pinakothek).










Filmszene













Caravaggio
Doubting Thomas, 1602-03.
Oil/canvas.
Potsdam, Sanssouci.

Im Kontext der Filmnarration, ist sie aber bewusst gewähltes Stilmittel und spiegelt nicht das Selbstverständnis des Künstlers wieder, sondern die Interpretation des Regisseurs, der das Leben Caravaggios grundsätzlich voller Anspielung auf die Leidensgeschichte Christi erzählt: da wird die Idee des Judas-Kusses aufgegriffen, wenn der junge Liebhaber Ranuccio aus dem Gefängnis entlassen wird. Deswegen wird die zweifelhafte Lena, die im Film bezeichnenderweise als Maria Magdalena posiert, in einer relativ engen Beziehung zum Künstler gezeigt und so die Idee der Maria Magdalena als Geliebte Christi aufgegriffen. Nicht zuletzt und vor allem ist dies der Grund, warum Jarman den Tod Caravaggios wiederum über die Komposition des Gemäldes Caravaggios zu Christis Grablegung visualisiert.










Filmszene
















Caravaggio
Christ's entombment,1602-1604.
Oil/canvas, 300 × 203 cm.
Rome, Pinacoteca Vaticana

Deutlicher kann man die Lebensgeschichte eines Künstlers nicht mehr als Leidensgeschichte inszenieren.
Universalität gewinnt diese Inszenierung durch ihre ahistorische Ausstattung, die am Theater orientierte Verweigerung illusionistischer Lebensnachahmung, sowie durch kunsthistorische Referenzen auf Gemälde anderer Epochen, so wie Jaques Louis Davids Tod des Marat (1793, Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts) bei der Darstellung des Kunstkritikers. Hier geht es mehr um die sich über die Zeiten kaum verändernden Strukturen der Kunstvermarktung. Der französische Salon Post veröffentlichenwurde im späten 18. Jahrhundert für den Bilderverkauf gerade auch für Künstler wie David von Bedeutung und so ist es nicht verwunderlich, dass Jarman ausgerechnet den Kunstkritiker in die Maratsche Badewanne setzt.
Die Anspielungen Jarmans sind dabei mehrdeutig, hier wird kein platter Vergleich geliefert, sondern mit Assoziatiossträngen gespielt, die, wie gesagt, zur Reflexion anregen. Wenn man so will, ist Jarmans Filmerzählung arabesk, im Sinne des 19. Jahrhunderts. Und so kann man bei jedem Mal sehen man ein bißchen mehr entdecken.

Sunday 30 September 2007

Otl Aicher, Bilderbogen zu Wilhelm von Ockham, 1986










Otl Aicher, Bilderbogen zu Wilhelm von Ockhaum, 1986
Ausstellung im Kloster Fürstenfeld


In Zusammenarbeit mit Reinfriede Bettrich und Sophi von Seidlein entwarf Otl Aicher (1922 - 1991), deutscher Graphiker und Autor, diesen Bilderbogen-Zyklus 1986 für eine Ausstellung über den mittelalterlichen Franziskanerbruder und bedeutenden mittelalterlichen Philosophen Wilhelm von Ockham für eine Bayerische Versicherungsgesellschaft.
Otl Aicher erzählt das Leben und einzelne Aspekte der Theorien Wilhelm von Ockhams, der von der päpstlichen Inquisition fliehen musste und 1328 am Hof des bayrischen Königs Ludwig des Bayern Asyl fand, in einem Zyklus von dreißig großen Plakaten, die nicht gemalt oder gedruckt sind, sondern deren Details aus eigens angefertigtem Farbpapier geschnitten und zu einem Gesamtbild zusammengefügt sind. Aichers graphisches Abstraktionsvermögen wird dabei genauso deutlich, wie sein Gespür für Farben, die hier inhaltsbezogen gegeneinander gesetzt werden.

Die Bezeichnung der Plakate als "Bilderbogen" stammt dabei von Aicher selbst, so dass sein Zyklus unmittelbar und ganz bewusst an jene Zeitungen und druckgraphischen Blätter anknüpft, die seit dem Mittelalter der Belehrung des analphabetischen Volkes dienten und neben anderem die Leidensgeschichte Christi, Szenen aus Heiligenlegenden und Tugend- und Lasterkataloge verbildlichten. Der Begriff "Bilderbogen" kommt dann erst im 19. Jahrhundert auf, als sich die Themenkataloge der Bilderbogen erheblich erweiterten. Aichers Zyklus ist thematisch eher den mittelalterlichen Bilderbogen verpflichtet, erzählt aber über einen Zyklus von Einzelblättern, nicht auf einem einzelnen Blatt.

Dennoch weist die programmatisch gewählte Bezeichnung des Mediums als Bilderbogen auf ein wichtiges Motiv von Aichers Arbeit voraus: seine Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte. Und so sind Aichers Bilderbogen nicht nur in ihrer Herstellungstechnik faszinierend, in den reduzierten Formen, dem unterschiedlichen Erzählen im Bild (beispielsweise werden einzelne Szenen in Leisten übereinander in die Fläche aufgelöst), oder den leuchtenden Farbkontrasten, sondern vor allem auch wegen der historischen Spurensuche des Künstlers.
Da sind nämlich nicht nur die Gesichter der einzelnen Hauptakteure mit historischem Quellenmaterial abgeglichen, oder die einzelnen Stadtumrisse oder Architekturen am Original orientiert, es werden auch allenthalben Motive aus der Kunstgeschichte zitiert. Man sieht beispielsweise Gottvater, der die Welt mit einem Zirkel entwirft, wie aus der Bible moralisé bekannt, oder es begegnet Dürers schlafender Landsknecht wieder, hier wie dort mit dem Pferdehintern in Richtung des Betrachters gewendet. Und wenn man sich darauf einlässt, ist noch eine ganze Menge mehr zu entdecken.

Literaturtipp: Aicher, Otl: Wilhelm von Ockham. Das Risiko modern zu denken. München: Callwey, 1986.

Tuesday 25 September 2007

Randzeichnungen

1808 gelangte das Gebetbuch Kaiser Maximilians (1515), das Albrecht Dürer, Lukas Cranach, Hans Baldung Grien und andere mit feinen Randzeichnungen in farbiger Tinte illustriert hatten, durch eine lithographische Teilreproduktion an die Öffentlichkeit.

Nepomuk Strixners Faksimile Lithographien sparten den Text aus und zeigten 43 Auswahlblätter unter dem Titel Albrecht Dürers christlich-mythologische Handzeichnungen.
Diese Randzeichnungen Dürers wurden von Goethe und seinen Zeitgenossen begeistert aufgenommen und waren für die romantische Arabeske von großer Bedeutung. Als Arabeske wurde die Randzeichnung in der Illustration des 19. Jahrhunderts immer wieder dazu verwendet, den Inhalt einer Erzählung zusammenzufassen (Titelblatt) oder ergänzend zu erweitern (Textillustration). Werner Busch betonte dabei v.a. für die Anfangszeit der romantischen Arabeske ihre Bedeutung als Reflexionsform.

Um nichts anderes geht es hier, als um Reflexionen speziell zur Kunst: Randnotizen zu einzelnen Themengebieten aus Malerei, Graphik, Bildhauerei und Architektur; Ideen, Beobachtungen, Entdeckungen.